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#BuyUkranian | Fünf bewegende Geschichten

Diese ukrainischen Frauen helfen der Armee und den Schwächsten

Es wurde bereits viel über ukrainische Männer und Frauen geschrieben, die ihr Land mit Waffen in der Hand verteidigen. Hinter ihnen stehen Menschen, die jeden Tag zur Arbeit gehen, ohne ihr Geschäft einzustellen. Hier sind die Geschichten von fünf ukrainischen Frauen, die trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation weiterhin arbeiten, schaffen und der Armee und den Schwächsten helfen.

Tatiana von der Taschenmarke Bulavi.

Bulavi: Die Damentaschen und der Krieg

Die Taschenmarke Bulavi erschien am 3. November vor drei Jahren. Die schwangere Tatjana konnte keine bequeme Tasche für sich finden. Sie und ihr Mann begannen daher mit einer eigenen Produktion.

Auf der Flucht vor dem Krieg gingen Tatjana und ihre kleine Tochter ins Ausland. Als ihr Ehemann starb, beschloss sie zum Dnjepr zurückzukehren und ihr Geschäft fortzusetzen, welches sie gemeinsam gegründet und nach seinem Nachnamen benannt hatten. Während des Krieges ist die Damentasche kein Muss, aber Tatjana stellte fest, dass Mädchen sich selbst gefallen möchten. Daher hört die Produktion von diesem Accessoire nicht auf: hochwertiges Leder in verschiedenen Texturen und Farbtönen wird eingekauft, neue Modelle werden entwickelt, und Instagram – eigentlich die einzige Werbeplattform für die Produktion - wird täglich aktualisiert.

Es gibt nur wenige Arbeitskräfte – ein paar Frauen und das 15-jährige Mädchen Margarita. "Die Produktion einer maßgefertigten Tasche dauert ungefähr zwei Wochen", seufzt Tatjana, "nicht jeder ist bereit so lange zu warten." Viele verstehen jedoch, dass 14 Arbeitstage für das Anfertigen einer Tasche, die handgefertigt ist, nicht viel sind. Margarita näht und bemalt Stofftaschen von Hand und perfektioniert jede Zeichnung.

Bulavis Kunden sind hauptsächlich Ukrainer. Für manche Kunden aus Europa sowie anderen Ländern sind 50-70 Dollar für eine gute Ledertasche keine große Summe. Auf Instagram können Sie alle Ledermuster in Farbe und Textur aussuchen und Ihr Lieblingsmodell in der für Sie idealen Version bestellen. Gerne können Sie Ihre Tasche nach eigener Skizze oder dem Foto in der gewünschten Farbe anfertigen lassen.

Elisaveta von Karelle designt Bademode für Mütter und Töchter.

Karelle: Bademode gegen Raketen

Elisaveta von Karelle erscheint täglich auf Instagram: Vorführung von Modellen in Stories, Posts, Streams, Online-Anproben. Das Geschäft läuft seit vier Jahren. Zuerst nähte sie Kinderkleidung. Diese verkaufte sich schlecht, also dachte sich Elisaveta was ganz Anderes aus, nämlich Bademode für Mütter und Töchter. Die Bikinis wurden rasch ausverkauft, somit stellte sich die Marke komplett auf Damenbekleidung um. Heute werden neue Modelle wöchentlich herausgebracht.

Die oberste Priorität ist die Qualität, unterstreicht Elisaveta. Selbstverständlich mussten die Preise seit dem Kriegsbeginn und Inflation etwas angehoben werden, aber Karelle tut alles, damit seine Ware für seine Kundschaft zugänglich bleibt. Heute arbeiten 80 Menschen in der Fabrik, die meisten von ihnen sind Frauen. Kriegswegen dezentralisierte Elisaveta die Produktion: Was ist, wenn irgendwo eine Rakete einschlägt -  also haben sie nun drei Werkstätten. Schöne und bequeme Damenbekleidung für jeden Tag macht nur 50% der Produktion von Karelle aus – sie nähen Uniformen für ukrainische Verteidiger. „Hier ist die Qualität noch wichtiger“, betont die Geschäftsfrau.

Kleidung von Karelle wurde oft von Westeuropäern oder Amerikanern schon vor dem Kriegsbeginn bestellt. Jetzt sucht Elisaveta nach einem Distributor, der den europäischen Markt nicht mit Einzelbestellungen, sondern mit großen Mengen sicher betritt.Einige Modelle werden nicht in Karelle-Workshops hergestellt, sondern ausgelagert – sie werden in Charkiw gestrickt.  „Die Lage in Charkiw ist sehr schwer. Die Stadt wird ständig beschossen, aber meine Mitarbeiter arbeiten weiter, und es ist enorm wichtig für mich sie zu unterstützen“ – erzählt die Business Lady. „Manchmal rufen sie mich an und sagen, dass eine Rakete das Lagerhaus getroffen hat, aber sie arbeiten weiter; bei Stromausfällen sind sie gezwungen die Produktion einzustellen, bis es wieder Strom gibt.“

Daria verkauft mit ihrem Unternehmen Tufi ihre eigenen Nagellacke.

Tufi: Die Schönheit wird die Welt retten!

Das Unternehmen Tufi von Daria besteht seit 12 Jahren. Alles begann, als Daria in einer Bank arbeitete und das Gefühl hatte, etwas zu tun, was ihr nicht nahe war.  Also wechselte sie ihre Tätigkeit und wurde bei Tufi-Schönheitssalon eingestellt. Nach und nach entstand auf ihre Vorschläge hin ein Geschäft im Salon, in dem man Nagellacke verkaufte.

Heute hat Tufi 9 Filialen in verschiedenen Städten der Ukraine, eine große Zentrale und hat vor kurzer Zeit den polnischen Markt betreten. Vor dem Krieg beschäftigte Tufi 100 Mitarbeiter, jetzt sind es weniger, etwa 80. 99% der Mitarbeiter sind Frauen, die Männer sind nur im Lager oder als Fahrer tätig. Und natürlich spendet Tufi regelmäßig Summen an die Armee – so viel man kann.

Kurz nach der Befreiung von Irpin wurde dort wieder eine Tufi-Filiale eröffnet. Zu Darias Überraschung wurden während der Besetzung weder die Räumlichkeiten noch die Waren beschädigt. Allerdings wurde das Geschäft doch verlegt. „Wir haben nicht aufgegeben, wollten unbedingt an Irpin und Bucha unsere Waren liefern, also haben wir unser Geschäft an einem neuen Standort eröffnet“.

Tierliebe Alla: Die Ärztin verkauft ihr eigenes Bio-Hundefutter.

Gavgavchik: Auch Tiere brauchen Essen

Alla stellt Bio-Hundefutter her. „Alles begann mit einer zufälligen Begegnung im Zug im Jahr 2014, nachdem ich eine Nacht das Abteil mit einer Mitreisenden, die Irina hieß, verbrachte“. Alla ist Ärztin und große Hundeliebhaberin, Irina ist Lebensmitteltechnologin. Sie erzählte zufällig, dass eine Warenpartie Nudeln ihrem Unternehmen nicht gelungen ist und sie diese einem Hundeheim gespendet haben. Aus dieser Information entstand die Idee, Flocken für Hunde zu produzieren. Die Flocken sind als Biofutter für alle Hunderassen geeignet und gesund.

Besonders wichtig ist ausgewogene und natürliche Getreidenahrung für Diensthunde. Alla, die mit dem Verband der Diensthundezucht zusammenarbeitet, hat sich von Experten beraten lassen und als Ergebnis entstand der „Schnellbrei für Hunde“. Getreidereiche Flocken mischt man mit Fleisch, fügt etwas Wasser dazu und fertig ist leckeres und gesundes Essen.

Niemand sonst in der Ukraine stellt solche Hundebreie her. Rettungsdienst, Polizei, Nationalgarde – jeder füttert heute seine Hunde mit Brei von Alla und Irina. Einige Produkte des Unternehmens werden kostenlos an die Front geliefert – an Diensthunde der Verteidigungskräfte. „Unsere Volontäre tun unmögliches“, sagt Alla stolz und erzählt, wie sie Futter für einen Diensthund des befreundeten Kynologen aus Cherson spendeten.

Ein weiterer Teil der Lebensmittel wird an die Tierheime gespendet. Mit Beginn des Krieges nahm die Anzahl von Tieren, die in Tierheimen gelassen wurden, zu. Glücklicherweise wurden viele Haustiere später mit ihren Herrchen doch noch vereint – Leute suchten in Internet-Communities, die Volontäre brachten die Hunde an die Grenze und übergaben sie in die Hände der Besitzer.

Irina stellt für Alla die Flocken nach eigenem Rezept her. Vor dem Krieg beschäftigte Alla fünf Mitarbeiterinnen und jetzt ist sie allein. Ihre Kolleginnen, alle Mütter mit Kindern, die in der Region Kyiv lebten, gingen mit Ausbruch des Krieges ins Ausland. Manche nach Deutschland, manche nach Italien. Auch die Zahl der Kunden ist zurückgegangen, stellt Alla fest. Viele Hundebesitzer sind geflohen, „aber sie kehren bereits zurück“, sagt die Frau.

Um die Kunden weniger von Preiserhöhungen betroffen zu machen, ändert sich die Geschäftspolitik: Alla verzichtete zum Beispiel auf bunte Futterpakete. Dies ermöglicht es, die Preise auf dem gleichen Niveau zu halten. 20 bis 30 Prozent der Einkünfte geht an die Armee, die Qualität des Futters ist aber gleichgeblieben. An der Gesundheit, egal ob Mensch oder Hund, wird nicht gespart.

Irina rettete mit ihrer Geschäftsidee ihrem Mann buchstäblich das Leben.

Unava: Kinder und Verteidiger zuerst.

Irina hat, sowie ihr Ehemann, das Institut der Lebensmittelindustrie absolviert. 1994 eröffneten sie die erste Unava-Mühle in der Region Kyiv (Kyivska Oblast). In ihrer Jugend bekam Irinas Mann, der damals beim Militär war, eine große Strahlendosis in Tschernobyl.  Mit 30 Jahren begannen bei ihm große gesundheitliche Probleme. Eine Behinderung und schlechte Lebensaussichten ließen nicht auf sich warten. Glücklicherweise traf das Paar den Arzt Juri Chernienko, der ihnen von Vorteilen von Weizenkleie erzählte, die der stärkste Strahlenschutz ist.

Nach Rücksprache mit Mikhail Guriew vom Institut für Physik kam das Paar zum Schluss: Ihre Mühle wurde von der Produktion von Premiummehl auf Kleie und Mehl mit Weizenkeimen umgestellt. Das hat Irinas Mann buchstäblich gerettet: bald wird er 60 und fühlt sich gesund. Das erste Produkt der Mühle war Babynahrung, dann erschienen Breie und Getreide, die mit Ballaststoffen und Weizenkeimen gesättigt waren. Die Agrofarm „Unava“ ist die erste in der Ukraine, die mit der Herstellung solcher Produkte begann. Mittlerweile umfasst das Sortiment Weizen- und Roggenkornmehle, daraus hergestellte Teigwaren, Weizengrieß, Weizenkeimzusätze und vieles mehr – darunter auch Frühstückszerealien und Babynahrung. Irina arbeitet in ständigem Kontakt mit dem Institut für Mikrobiologie und untersucht die Wirkung ihrer Produkte auf die Biota des menschlichen Körpers.

Es arbeiten nur 8 Leute im Unternehmen, und zwei weitere helfen beim Packen. Alle 8 Personen arbeiten seit mehr als einem Dutzend Jahren bei Unava. Grundsätzlich werden Produkte in Beuteln an die Fabriken, darunter an eine Süßwarenfabrik weiterverkauft. Der Anteil der Einzelhandelsprodukte an der Gesamtproduktion ist noch gering, aber Irina hofft, dass sich die Situation zum Besseren wenden wird. Parallel zur Arbeit unterstützt Irina die Kompanie der Solomenskaya Territorialverteidigung – 50 Personen. Von den ersten Tagen an geht ihr Direktorengehalt dorthin, dazu bekommen die Kämpfer Mahlzeiten aus Irinas Produktion.
Eine andere Organisation, die von Irina unterstützt wird, ist das Kinderheim „Dolonjki Dobra“, wo 450 Kinder (von denen die meisten durch den Krieg zu Waisen wurden) Brot bekommen, das aus Irinas Mehl gebacken wurde.

Dies sind nur fünf Geschichten von ukrainischen Frauen, die wie Karyatiden auf ihren Schultern die Wirtschaft eines Landes tragen, das sich gegen die Aggression des riesigen Nachbarn verteidigt. Ohne sie, ihre aufopfernde Arbeit hätte die Ukraine nicht überleben können.

Autorin: Leah Cottler
Leah Cottler (geb. 1975) ist eine israelische Journalistin, arbeitete als Korrespondentin für Radio Liberty und Radio France International.
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